Christof Beyer - Der Erfurter Amoklauf in der Presse

Unerklärlichkeit und die Macht der Erklärung: Eine Diskursanalyse anhand zweier ausgewählter Beispiele

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Über das Buch

Rezension

„BEYERs Studie als ein empirischer Beitrag zu den Governemental Studies ist theoretisch fundiert und empirisch nachvollziehbar. [...]

Wie lässt sich BEYERs Studie in der aktuellen Forschung und Publikationen zu den Ursachen und Folgen des Erfurter Amoklaufs einordnen? Er grenzt sich mit seiner Studie zu den zahlreichen wissenschaftlichen und journalistischen Wortmeldungen ab, deren Grundkanon der Desintegration den Täter aus der Normalität herausnimmt. Mit seiner Studie dagegen zeigt BEYER, dass der Amoklauf Teil der Normalität ist. Mit ihm ließe sich schlussfolgern, dass Robert Steinhäuser im Diskurs als Prototyp pathologischer Abweichung quasi entsozialisiert – oder entgesellschaftet – und dabei als Negativfolie des Selbstverständnisses von Normalität funktionalisiert wird. Die von den Kollektiven erlebten Sicherheitsrisiken werden dabei in das Individuum projiziert, es ist der Träger des Risikos. Somit könnte jedes Mitglied der Gesellschaft zum Amokläufer werden, wenn es nicht genug kontrollierbar ist und/oder sich selbst zu kontrollieren weiß. [...]

BEYERs Studie stellt eine sinnvolle Grundlage für weiterführende Studien dar, um beispielsweise gesellschaftliche Bedingungen der Bedeutung von Normalität als Konstruktion zu beleuchten.“

– Katharina Gajdukowa, Philipps-Universität Marburg in: qualitative-research.net, Volume 6, No. 2, Art. 11 - Mai 2005

Zum Inhalt

„Normalität“ ist eine zentrale Kategorie zur Regulierung der Wahrnehmung und Legitimation von gesellschaftlicher Realität. Wie geht eine Gesellschaft aber damit um, wenn diese „Normalität“ durch einen unerwarteten, explosiven Gewaltakt erschüttert wird?

Der Erfurter Amoklauf ist ein solcher Gewaltakt gewesen. Aufgrund dieses Vorfalls wurde ein nationaler Schockzustand konstatiert, der gleichzeitig die Frage beinhaltete, wie es dazu kommen konnte und wie ähnliche Fälle in Zukunft zu verhindern seien. So geriet der an die Erfurter Ereignisse anschließende Diskurs zu einer Reflexion über den Charakter einer Gesellschaft, in der solch eine Tat möglich gewesen ist.

In dem Buch „Der Erfurter Amoklauf in der Presse – Unerklärlichkeit und die Macht der Erklärung: Eine Diskursanalyse anhand zweier ausgewählter Beispiele“ wird untersucht, wie durch die Beschreibung vermeintlicher individueller und gesellschaftlicher Ursachen für die Tat die „Normalität“ der gesellschaftlichen Machtbeziehungen diskursiv (re-)konstruiert wurde. Hierzu wird die Berichterstattung des SPIEGELS und der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG - Medien, die den gesellschaftlichen Diskurs repräsentieren - in der ersten Woche nach der Tat diskursanalytisch untersucht.

In beiden Publikationen wurden vielfältige Faktoren für das „Durchdrehen“ des Täters Robert Steinhäuser benannt: die Medien, welche gerade jüngere Menschen „verrohen“ würden; die Schule, die problematische Schüler nicht angemessen betreue; die Eltern, die ihre Kinder vernachlässigten und schließlich die Gesellschaft, die Werte nicht adäquat vermittle. Diese und andere in der Debatte thematisierten Punkte implizieren eine spezifische Trennung zwischen Normal und Anomal, die auf einem „Komplex Macht/Wissen“ (Michel Foucault) beruht. Auf diese Weise wurden die für die „Normalität“ des gesellschaftlichen Status quo…

Schlagworte

Amok, Presse, Devianz, Diskursanalyse, Jugendgewalt, Normalität, Kulturwissenschaft, Medienwissenschaft, Sicherheitsrisiken, Journalismus

  • Schriftenreihe
    Schriften zur Medienwissenschaft
  • ISSN
    1616-9336
  • Band
    5

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